Über den Broadway, epische Serien und die Besteigung des literarischen Mount Everest.
“Die Chroniken der Seelenwächter” umfasst 42 Bände, das Spin-Off der Serie “Das schwarze Element” wird sieben Bände umfassen. Und dies sind noch nicht alle Projekte der Schriftstellerin Nicole Böhm. Sie selbst bezeichnet das Schreiben ihrer Seelenwächter-Reihe als literarisches Äquivalent zur Besteigung des Mount Everest. Ein jahrelanges Abenteuer, das Höchstleistungen verlangte. Dabei war der “Berufsweg Autorin” kein angestrebtes Ziel der Vielschreiberin …
Nach einer Kosmetikausbildung ging es für Nicole Böhm in die Vereinigten Staaten. In Phoenix, Arizona absolvierte sie Zeichenkurse und verfolgte den Plan, einmal für Disney zu arbeiten. Doch auch wenn das Zeichnen schon lange Teil ihres Lebens war, sollte alles anders kommen. Durch eine Freundin bewarb sich Böhm für eine Musicalausbildung, wurde angenommen und zog nach New York. Am Broadway lernte sie Theater zu spielen, zu singen und zu tanzen. Eine Handwerkskunst, die ihr später auch beim Schreiben helfen sollte. “Der Schauspielunterricht ist sehr ähnlich zum Schreiben", so die Schriftstellerin. “In beiden Disziplinen werden Charaktere aus dem Nichts erschaffen.” Nach Abschluss der Ausbildung wurde sie für die Rolle der guten Hexe in “The Wizard of Oz” gecastet, doch vor Produktionsbeginn hätte sie noch drei Monate überbrücken müssen. Da ihre Unterkunft an die Ausbildung geknüpft war, hatte sie “bei Freunden auf dem Boden geschlafen” und beschloss, vor Produktionsbeginn des Stückes nach Deutschland zurückzukehren.
Anders als in New York waren die Auditions in Deutschland nicht zentral, sondern quer durch die Republik verteilt. Die weiten Wege, das Ausbleiben der nötigen Leidenschaft und ausstehende Rechnungen brachten Böhm schließlich weg von der Bühne und rein ins Büroleben. Fünfzehn Jahre ist sie dort “versackt”, wie sie selbst es beschreibt. Während ihr ein festes Gehalt Sicherheit gab und sie am Arbeitsplatz auch ihren Mann kennenlernte, konnte der Job sie nicht erfüllen.
So begab es sich, dass sie während einer Krankschreibung die ersten drei Bände der “Chroniken der Unterwelt” von Cassandra Clare verschlang. Nach dem Lesen hatte sie das Gefühl: “voll und leer zugleich zu sein.” Dieses Gefühl faszinierte sie dermaßen, dass der Wunsch entstand, selbst etwas zu schreiben, das die Menschen mitreißt. Die Idee für “Die Chroniken der Seelenwächter” war geboren. Nachdem sie sich über Schreibratgeber und Foren das nötige Know-How angeeignet hatte, begann sie zu planen und zu schreiben.
Dabei spielte das Lied “Halleluja”, gesungen von Jeff Buckley, eine entscheidende Rolle. Denn beim Hören der Zeile “I´ve heard there was a secret chord/ That David played, and it pleased the Lord”, stellte sie sich die Frage, was passieren würde, wenn es einen geheimen Akkord gäbe. Einen Akkord mit magischen Kräften, den noch niemand gefunden hat. Dadurch entstanden die Schattendämonen, die sich von der Seelenenergie der Menschen ernähren. Und im Gegenzug natürlich auch die Seelenwächter, die diese Dämonen bekämpfen und wiederum an die vier Elemente gebunden sind.
Was zuerst eine Trilogie werden sollte, wurde schnell zu mehr. Nach einem Gespräch mit ihrem Verleger, der ihr vorschlug, den Stoff zu einer Serie zu verarbeiten, begann die Reise, welche sie über ein Jahrzehnt begleiten sollte. Das Schreiben, welches sich als wahre Schatzkiste entpuppte, eröffnete ihr zudem die Möglichkeit, ihre illustratorischen Fähigkeiten einzubringen: Die ausdrucksstarken Cover ihrer Hauptreihe hat die Autorin selbst entworfen und gestaltet.
Bis 2017 noch berufsbegleitend tätig, schaffte Nicole Böhm es jeden Monat einen neuen Band herauszubringen. Auch wenn dies bedeutete, um fünf Uhr morgens am Schreibtisch zu sitzen, bevor sie zum “Brotjob” aufbrach – und sich nach Feierabend zurück an den Computer zu setzen.
Während sie im Jahr 2019 am Ende der Bücher schreibt, beginnt der Hörbuchverlag LAUSCH medien die ersten Bände ihrer epischen Reihe zu vertonen. Für die Autorin ist es ein wunderschönes Gefühl, die eigenen Geschichten zum Leben erweckt zu wissen. Gerade die Besetzung der Sprecher:innen (Pia-Rhona Saxe, Jan Langer, Cornelia Prescher, Tim Gössler und später Richard Lingscheidt) konnte sie überzeugen, sodass sie zum Hörbuchfinale ins Studio nach Hamburg gereist ist, um das Ende der Aufnahmen mitzuerleben.
Obwohl sie unter die Reihe “Die Chroniken der Seelenwächter” einen Schlusspunkt gesetzt hat, wollte sie sich aus dem Universum nicht ganz verabschieden. Aus diesem Grund entstand die Idee zum Spin-Off “Das schwarze Element”, das zehn Jahre später spielt. “Mich hat keiner aufgehalten, niemand hat gesagt: Tu das nicht!”, erklärt die Autorin lachend. Zum Glück für alle Leser:innen – und Hörer:innen! Denn auch “Das schwarze Element” wird mit der Originalbesetzung des Seelenwächter-Casts im Hause LAUSCH aufgenommen und produziert.
Der Mount Everest ihrer Schriftstellerinnen Karriere ist mit ihrer Debüt-Reihe vielleicht erklommen, doch es gibt noch viele weitere Gipfel, die die Autorin stürmen möchte. Neue Projekte werden keine 42 Bände mehr umfassen, aber genug Stoff bieten, um uns auch in Zukunft in fantastische Welten zu entführen.
geschrieben von: Lina M. Stiegemeyer
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